Kommune Niederkaufungen

Geht Kommune Niederkaufungen auch ohne Politik?

Gemeinschaft benötigt zu ihrer Existenz etwas, an dem sich das Gemeinsame festmacht. Die gemeinsame Religion haben wir nicht, wir haben auch keinen gemeinsamen Sport, keine gemeinsame kulturelle Betätigung, keine gemeinsame Spiritualität. Am ehesten haben wir nach meiner Auffassung einen gemeinsamen politischen Ansatzpunkt. Wir sind zumindest alle in eine Kommune eingestiegen, die in ihrem Grundsatzpapier einiges benennt, was ihr wichtig ist. Das dort Benannte ist für mich im Wesentlichen politisch. Vielleicht ist diese Gemeinsamkeit inzwischen zu dünn, ich glaube aber nicht daran, dass wir etwas neues gemeinsames finden werden. Wenn wir nur noch Arbeitskräfte zur Aufrechterhaltung unserer Arbeitsbereiche suchen, statt Menschen, die Kommune leben wollen, besteht eine große Gefahr, dass wir damit unsere Basis selbst untergraben werden, bzw. dies schon zu einem Teil erfolgt ist.

Wir machen uns Illusionen, wenn wir nicht präsent haben, wie groß unser Vorhaben ist. Was wir versuchen zu leben ist zumindest kulturell ein tiefgehender Bruch mit dem, was uns umgibt und mit dem was es bislang gegeben hat. Wir versuchen ohne Herrschaft zu leben. Staaten, Gesellschaften, Unternehmen, Familien, Sippen, …. überall historisch und gegenwärtig, ist alles herrschaftsförmig organisiert. Auch wenn es Ausnahmen von dieser Regel gibt, gibt es meines Erachtens keine Zweifel, dass das eben Ausnahmen sind und nicht dominante Strukturen. Von dieser Herrschaftsförmigkeit sind auch demokratisch organisierten Einheiten keine Ausnahme. In der Demokratie wird die Herrschaft nur speziell legitimiert. Die Herrschaft ist nicht mehr gottgegeben, wie in Religionen und Monarchien, die sich auf eine Religion gründen und sie gründet sich nicht auf pure Gewalt, dem Recht der Stärke und auch nicht auf einem elitären Denken, keine Herrschaft der „Besten“. In der Demokratie gründet sich die Herrschaft auf einen, wie auch immer ermittelten, fadenscheinigen Gemeinschaftswillen (wie problematisch das sein kann zeigt sich aktuell gerade in Großbritannien bei der Volksabstimmung zum Austritt aus der EU). Herrschaft ist menschheitsgeschichtlich seit Jahrtausenden der Normalfall. Mir erscheint es nicht einmal abwegig in Herrschaftsverhältnissen sogar genetische Komponenten zu sehen – der/die Stärkere, Schnellere, irgendwie Bessere gewinnt und setzt sich durch.

Diese kulturellen, vielleicht sogar genetischen Prägungen, können nicht einfach mal so in wenigen Jahren durch den puren Eintritt in eine Kommune überwunden werden.

Hinzu kommt, wir leben in einer „feindlichen“ Umwelt, um uns herum ist nach wie vor alles herrschaftsmässig geprägt.

Wir wollen etwas anderes, ob es gelingen kann bleibt offen. Es bleibt ein Experiment. Damit dieses Experiment überhaupt eine Chance bekommt, sind wir darauf angewiesen, dass sich viele von uns einbringen und Verantwortung übernehmen, sich nicht raushalten. Halten sich viele aus allem raus, dann bleibt zu viel an zu wenigen hängen. Diese Wenigen müssen scheitern oder ihr Handeln wird zunehmend herrschaftsförmiger. Dies soll nicht als Anklage verstanden werden, sondern als Erkenntnis aus den Erfahrungen aus Jahrzehnten der Alternativbewegung. Kollektive lösten sich auf, verwandelten sich in „Chefkollektive“ oder vollzogen die offenen Umwandlung in Normalbetriebe.

Der Versuch möglichst herrschaftsfrei zu leben, bleibt eine ständige Herausforderung, bleibt unsere ständige Aufgabe. Das ist anstrengend. Für mich sehe ich keine Alternative zu dieser Anstrengung, weil ich nicht in herrschaftlich geprägten Verhältnissen leben will.

Unabhängig vom Wollen, unsere Kommune ist „politisch“ oder sie wird nicht mehr sein.

10 Kommentare

  1. Hallo KommunardInnen!
    Herrschaft sollte nicht inhaltslos gesehen werden.
    Schließlich herrscht niemand um der Herrschaft willen.
    In der Regel hat Herrschaft natürlich materielle Gründe.

    In der bürgerlichen Gesellschaft braucht es z.B. eine übergeordnete Staatsgewalt.
    Einerseits um die sich aus dem kapitalistischen Privateigentum an den Produktionsmitteln ergebenden Gegensätze in “friedliche” Bahnen zu lenken (bekanntlich werden heututage Streitereien meist vor Gericht und nicht wie früher im “Wilden Westen” mit einer “Winchester” geregelt) und andererseits vor allem, um die arbeitende Bevölkerung “im Zaume zu halten”, die bekanntlich trotz laufender Arbeit meist auf keinen “grünen Zweig” kommt, Stichwort Ausbeutung.

    Mit freundlichen Grüßen
    Flash

    Humor am Rande:
    Während Merkel der Beweis sein sollte, daß nicht der bzw. die “Stärkere, Schnellere, irgendwie Bessere gewinnt” und sich durchsetzt.
    Sondern allenfalls der bzw. die Rücksichtsloseste.

  2. Vielleicht noch folgendes:
    Soviel ich mitbekommen habe, ist doch jede(r) Kommunardin ein(e) Anteilseigner(in) an Euerem Projekt.
    Wie soll da innerhalb der Gruppe eine Herrschaft entstehen?
    Schließlich bräuchte es für eine Herrschaft erstmal die (vor allem materiellen) Mittel, um andere beherrschen zu können.

    Mit freundlichen Grüßen
    Flash

  3. Noch ergänzend:
    Zumal jede(r) Kommunard(in) im Ernstfall (d.h., falls eine Einigung mit anderen bzw. der Gruppe beim besten Willen nicht mehr möglich ist) die Möglichkeit hat, “auszusteigen”.
    Spätestens dann würde eine Herrschaft “ins Leere laufen”.

    Mit freundlichen Grüßen
    Flash

  4. Noch anders ausgedrückt:
    Damit eine Herrschaft ihre Wirkung entfaltet, braucht es entweder rohe Gewalt (siehe z.B. Sklaverei usw.) oder (was raffinierter ist) eine wirtschaftliche Abhängigkeit.
    Beides ist innerhalb Euerer Gruppe nicht gegeben.
    Wirklich beherrscht werdet Ihr hingegen vom bürgerlichen Staat, der auch Euer Leben mit Gesetzen, Justiz und Polizei bis ins Detail regelt.
    (Weshalb es übrigens auch eine Illusion ist, aus dem kapitalistischen bzw. bürgerlichen System – im Unterschied zu Euerer Kommune – “aussteigen” zu können.)

    Mit freundlichen Grüßen
    Flash

  5. Last not least:
    Wobei der bürgerliche Staat diese Ordnung natürlich nicht “einfach so” aufrechterhält, sondern damit sehr “irdische” Interessen verfolgt.
    Bekanntlich setzt dieser mit dem gesetzlichen Schutz des Privateigentums (vor allem an den Produktionsmitteln bzw. Grund und Boden) eine kapitalistische Ökonomie ins Werk, der auch Ihr unterworfen seid.
    Ob Ihr wollt oder nicht.
    (Was übrigens auch der Grund ist, warum aus “alternativen” zwangsläufig früher oder später “normale” Betriebe werden – oder diese gehen ökonomisch unter bzw. verschwinden wieder vom “Markt”, siehe z.B. die vielen Genossenschaften der Vergangenheit, die entweder “kapitalistisch” wurden bzw. verschwunden sind.)

    Mit freundlichen Grüßen
    Flash

  6. Hallo Uli,
    danke für diesen Eintrag! Schön, dass ihr euch auf eurer Webseite mit solchen Fragen beschäftigt. Ich werde euren Blog weiter verfolgen 😉

    Gruß aus der Villa,
    Regine

  7. Nachdem es relativ öde ist, Kommentare zu schreiben, die unbeantwortet bleiben, noch ein abschließender Hinweis:

    Es ist ein Widerspruch in sich, mitten im Kapitalismus (d.h. ohne dessen Abschaffung) völlig anders leben zu wollen.
    Ändern könnt’ Ihr allenfalls das eine oder andere intern, d.h. unter Euch, während ansonsten alles weitgehend beim Alten bleibt.
    Um wirklich etwas zu verändern, bräuchte es ein völlig anderes Wirtschaftssystem, in dem nicht mehr für das Geld und dessen Vermehrung, sondern den gesellschaftlichen Bedürfnissen produziert wird.

    Mit Grüßen
    Flash

    PS: Ich erinnere nur ‘mal an die sog. Volks- bzw. Genossenschaftsbanken (z.B. Raiffeisen), Konsum- und Baugenossenschaften usw.
    Entweder diese wurde wie alle anderen (kapitalistischen) Unternehmen auch oder sind vom “Markt” wieder verschwunden.
    Das wäre schon ‘mal eine Diskussion wert.

  8. Haha, Flash, ich fand deine Kommentare sehr unterhaltsam und auch interessant! Ich möchte lediglich hinzufügen, dass deine guten und richtigen Argumente an sich richtig erscheinen, allerdings meiner Meinung nach noch etwas Relativiertheit bedürfen: Und zwar stimmt es m.M.n. dass man sich nicht komplett dem Kapitalismus entziehen kann, aber man kann es graduell tun, indem man sich durch gesenkten Konsum weniger involviert und somit dem System einen Teil seines Umsatzes entzieht. Bringt nicht viel, wenn es nur wenige machen, aber mehr als nichts und könnte zu mächten Depressionen führen, wenn all es so machten. Auch finde ich es immer wichtig ein Zeichen zu setzen und mit einer guten Idee vorweg zu gehen, auch wenn diese nicht autark funktionieren mag oder nur teilweise effektiv ist, um Nachahmer und ein Umdenken zu provozieren.
    Auch zum Thema Herrschaft, möchte ich für ein wenig mehr Differenziertheit werben, und sagen, dass Herrschaft schon im kleinen anfängt wenn man bestimmt, was gekocht wird, oder wer welche Portion kriegt. Klar kann man immer den Notausgang wählen, aber das kannst du auch im Kapitalismus und der ist auch durch eine Form der Herrschaft bestimmt, die du ja schon näher eingeordnet hast.
    Danke für deine Kommentare hat mich gefreut die zu lesen. Auch der Blogeintrag hat mir sehr gefallen, ihr hört bestimmt nochmal von mir
    Gruß Birke

  9. Hallo Birke,
    Danke für Deine Antwort.

    Dazu, falls Du möchtest (garantiert “herrschaftsfrei”), vielleicht folgendes:
    Was mir an Dir (und auch anderen aus Eueren Kreisen) immer wieder auffällt, ist der Konsum, der bei Euch anscheinend eine wesentliche Rolle in Euren Gedanken spielt.

    Zu diesem Thema möchte ich anmerken, daß Du einen relativ “luxuriösen” Standpunkt einnimmst (oder der bürgerlichen Ideologie Glauben schenkst, daß wir in einer “Konsumgesellschaft” leben würden).
    In Wirklichkeit hat die Mehrheit der Bevölkerung (z.B. die Lohnabhängigen in den unteren Einkommensklassen, z.B. ArbeiterInnen, von Hartz4-EmpfängerInnen und was in der kapitalistischen Gesellschaft sonst noch an Armut unterwegs ist, einmal ganz zu schweigen) dieses Problem gar nicht (schlichtweg, da der Lohn meist ungefähr solange reicht, um am nächsten Tag wieder zur Arbeit anzutreten) oder genau umgekehrt.

    Täglich bleiben in dieser Gesellschaft unzählige Bedürfnisse unbefriedigt, da es vielen Leuten an der nötigen sog. Kaufkraft (d.h. Zahlungsfähigkeit) mangelt bzw. fehlt.
    (Z.B. leben viele in sog. Mietskasernen, die manchmal auch als “Wohnklos” bezeichnet werden – und das trotz lebenslanger Arbeit.
    Während ohne ein Auto bzw. einen Führerschein und einem Handy heutzutage kaum noch ein Job zu bekommen ist, da diese meist nicht “um die Ecke” liegen usw.)

    Zum Anhören würde ich ‘mal den Vortrag auf der Webseite “argudiss.de/dokumentationen” mit dem Titel “Von den tatsächlichen und eingebildeten Leistungen von Konsum und Konsumkritik” empfehlen, der zeigt, was für eine “matte Angelegenheit” in der kapitalistischen Gesellschaft das tatsächlich ist.
    (Und die oftmals gepriesene “Macht der Konsumenten” nicht als eine Einbildung ist.)

    Während das mit dem “Vorbild” sein (um Nachahmer zu finden), in der Wirklichkeit nicht funktioniert.
    (Schließlich ist es nicht so, daß sich Menschen aufgrund von “Vorbildern” eine Meinung bilden – sondern genau umgekehrt.
    Nachdem diese sich eine Meinung gebildet haben, suchen sich manche entsprechende “Vorbilder”.)
    Um andere Menschen zu überzeugen, braucht es die (natürlich möglichst richtigen) Argumente – anders geht das nicht.

    Während Du den Begriff “Herrschaft” schon sehr weit ausdehnst.
    So sehe ich z.B. kein “Herrschaftsproblem” darin, wenn sich Menschen nicht auf ein gemeinsames Essen einigen können.
    Dann ißt bzw. kocht eben jede(r) selbst, was sie bzw. er mag.
    Jedenfalls sind das keine entgegengesetzten, sondern nur unterschiedliche Interessen, die sich nicht wechselseitig “im Wege stehen”.
    (Und das einer den anderen zwingt, womöglich noch gewaltsam, etwas zu essen, was sie bzw. er nicht mag, kommt in der wirklichen Welt eigentlich relativ selten vor.)

    In der Hoffnung, mit meinen Ausführung etwas zur Aufklärung beigetragen zu haben, verbleibe ich mit Grüßen
    Flash

  10. Noch zur Ergänzung, warum der Gedanke (z.B. von Birke), dem Kapitalismus mit “Konsumverzicht” schaden zu können, in der Praxis nicht funktioniert:

    Einerseits haben die meisten Menschen (zumal weltweit) kein derart luxuriöses Leben (ansonsten, d.h. wenn es den Menschen materiell gut gehen würde, wäre der Kapitalismus eine gute Sache und nicht kritikabel), daß diese auf viel verzichten könnten – vielmehr im Gegenteil.
    Bekanntlich mangelt es vielen schon am Nötigsten.
    (Während z.B. das eine oder andere neue Smartphone usw., daß es nicht unbedingt bräuchte, den geringsten Teil des täglichen Konsums ausmacht.)

    Andererseits liegt der weitaus größte Teil des Konsum gar nicht im privaten, sondern vielmehr im staatlichen (z.B. Infrastruktur, Bau und Betrieb von Schulen und Universitäten, Rüstung usw.) und vor allem gewerblichen Bereich, d.h. Investionen in Büro- und Fabrikationsgebäude, Maschinen usw.

    Es gibt nunmal nur zwei Möglichkeiten, damit der Kapitalismus “History” ist.
    Entweder einen gesellschaftlichen Umsturz der bestehenden wirtschaftlichen (d.h. kapitalistischen) bzw. politischen (d.h. bürgerlichen) Verhältnisse – was aufgrund des mangelnden bzw. fehlenden Bewußtsein der allermeisten heutigen Menschen illusionär ist – oder einen verheerenden 3.Weltkrieg, der derzeit sowieso bereits vorbereitet wird.
    (Falls jemand die Ereignisse verfolgt, ist es aller Wahrscheinlichkeit nach Syrien, an dem sich dieser – ähnlich wie der 1.Weltkrieg am damaligen Serbien- entzündet.)

    Kommunen (was nichts anderes als Gemeinschaft heißt) wiederum können schon eine Möglichkeit sein, sich das Leben wechselseitig etwas zu erleichtern.
    Allerdings müssen die Inhalte stimmen.
    Ansonsten bringt das nichts.
    (Bekanntlich gibt es auch sonst etliche Gemeinschaften, z.B. Religionsgemeinschaften bzw. Kirchengemeinden, die völkische “rechte” bzw. faschistische Volksgemeinschaft, und selbst die Aktionäre eines Unternehmens bilden eine Gemeinschaft usw.)

    Mit Grüßen
    Flash

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