Kommune Niederkaufungen

Radiobeitrag – Deutschlandfunk Kultur – Die Rückkehr der Kommunen

 

Unter dem Titel die Rückkehr der Kommunen ist der Journalist Robert Fischer Fragen rund um Kommunen nachgegangen und hat dabei unter anderem uns besucht. Die rund einstündige Sendung mitsamt Begleitartikel findet sich hier:

https://www.deutschlandfunkkultur.de/die-rueckkehr-der-kommunen-leben-in-der-gemeinschaft-100.html

 

Interessant sind auch ältere dort verlinkte Artikel über unsere Kommune.

Unser Kennenlernprozess

  Uns als Kommune Niederkaufungen wird gegenwärtig viel Aufmerksamkeit und Interesse zuteil. Gerade durch den im Hessischen Rundfunk ausgestrahlten Film „Alles Teilen – Leben ohne Besitz“ hat sich dieses Interesse nochmal verstärkt.
Darüber freuen wir uns sehr. Zum einen wollen wir selbst wachsen und suchen vornehmlich junge Leute, die unser Lebensmodell mit uns gemeinsam ausfüllen und weiterentwickeln wollen. Zum anderen begrüßen wir das große Interesse an alternativen Entwürfen zu einem auf Konkurrenz und Privateigentum basierenden Wirtschaftssystem. Viele Menschen spüren die negativen Auswirkungen dieser gesellschaftlichen Rahmenbedinungen ganz konkret in ihrem Leben und suchen nach anderen Möglichkeiten. Dabei stoßen viele Menschen auf uns.
Wir sind jedoch nicht für jedes Anliegen die richtige Anlaufstelle. Daher findet ihr an dieser Stelle einige hilfreiche Informationen zu unserer Kommune, unserem Kennenlern- und Einstiegsprozess, sowie Verweise auf andere Gemeinschaften.

Kennenlernen und Einsteigen

Kennenlernen braucht Zeit. Die Kommune ist für viele Menschen seit Jahren und Jahrzehnten das zu Hause. Vom ersten Kennenlernen bis zum Einstieg vergehen nicht selten ein bis zwei Jahre.

Auf Grund der gegenwärtigen vielen Anfragen und den Schwierigkeiten die Corona mit sich bringt (Auflagen für unser Tagungshaus), können wir nicht alle Wünsche nach einem baldigen Kennenlernen erfüllen. Wir arbeiten daran in diesem Jahr weitere Kommuneseminare anzubieten. Bis dahin nehmen wir bei Anfragen gerne eine Kontaktmöglichkeit von euch auf.

Seit jeher gibt es viele Leute, welche die Kommune Niederkaufungen kennenlernen wollen. Auf Grund der hohen Nachfrage wurde ein strukturierter Prozess entwickelt, der die verschiedenen Bedürfnisse berücksichtigt – sowohl der hier lebenden Menschen, als auch die der Interessierten. Es ist in jedem Fall hilfreich unser Grundsatzpapier und das aktuelle Ergänzungspapier, welches das Leben in der Kommune beschreibt, zu lesen.

Der Infonachmittag

Wer sich unser Projekt nur mal anschauen möchte, für den sind die mehrmals im Jahr stattfindenden Infonachmittage das richtige Format. Neben einer Führung wird die Kommune in ihren Grundzügen erläutert und es können Fragen gestellt werden.

Das Kommuneseminar

Für alle, die es genauer wissen wollen, werden im Kommuneseminar die grundlegenden Aspekte der Kommune an einem Wochenende ausführlich erläutert. Wie werden Entscheidungen getroffen? Wie funktioniert die gemeinsame Ökonomie? Was bedeutet Arbeiten im Kollektiv? Was sind Schwierigkeiten im Kommunealltag? Daneben ist reichlich Raum für die Fragen der TeilnehmerInnen.

Das Interkomm-Seminar

Die Kommune Niederkaufungen ist eine von insgesamt 6 Kommunen im Raum Kassel. Diese sind miteinander unter dem Namen „Interkomm“ vernetzt. Mehrmals im Jahr gibt es die Möglichkeit an einem Interkommseminar teilzunehmen. Dabei werden die gemeinsamen Aspekte der Kommunen wie gemeinsame Ökonomie oder Entscheidungsfindung im Konsens erläutert und diskutiert. Außerdem werden die verschiedenen Projekte besucht.

Kennenlernwochen

Wer sich für unsere Lebensgemeinschaft interessiert und genauer herausfinden will, ob ein Lebenskonzept wie in der Kommune Niederkaufungen für das eigene Leben eine Perspektive sein könnte, kann in einer Kennenlernwoche mit uns zusammen leben und arbeiten. Die Betreuung der Teilnehmenden rotiert zwischen den Wohngemeinschaften. Die einladende WG entscheidet autonom, wen sie einladen möchte und mit wie vielen Teilnehmenden die Kennlernwoche stattfindet. Voraussetzung zum Besuch einer Kennenlernwoche ist die vorherige Teilnahme an einem Kommuneseminar oder einem Interkommseminar.

Kümmerer und Kümmerinnen

Wer sich nach dem Besuch einer oder mehrerer Kennenlernwochen konkret für einen Einstieg interessiert, formuliert einen Probezeitantrag, in dem die Person ihr Anliegen schildert. Um diese Zeit sollten sich drei Kümmerer oder Kümmerinnen aus der Kommune gefunden haben, die dieses Anliegen unterstützen und begleiten. Über den Beginn der Probezeit entscheidet die gesamte Gruppe im Konsens.

Probezeit & Einstieg

Die Probezeit dauert 3 Monate. In dieser Zeit leben neue Leute bereits in der Kommune und sind der Teil der gemeinsamen Ökonomie. Nach diesen 3 Monaten wird im Konsens über den Einstieg entschieden. Danach kann sich die Probezeitlerin oder der Probezeitler weitere Bedenkzeit wünschen und ihrerseits die Probezeit verlängern.

Andere Wege

Neben dem beschriebenen üblichen Kennenlernweg gibt es weitere. Mitunter laden Arbeitsbereiche Interessierte eigenständig ein. Einige Menschen machen ein Praktikum in einem Betrieb oder leben als Langzeitgäste für einen begrenzten Zeitraum mit uns zusammen.

Herausforderungen des Kommunelebens

Selbstständigkeit und Verantwortungsbewusstsein

In unserem Projekt wollen wir uns als Gleichberechtige auf Augenhöhe begegnen. Das erfordert, dass die hier Lebenden prinzipiell ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein für sich und andere an den Tag legen. Wir selbst gestalten unser Leben immer wieder neu. Im Gegensatz zu religiösen oder dogmatischen Gemeinschaften gibt es keine fertigen Rezepte und letzten Wahrheiten. Für diesen Prozess sind daher grundsätzlich alle in ihrer Selbstständigkeit und Kompromissbereitschaft in der Gruppe gefragt. Angebote, die man im Sinne eine Dienstleistungsmentalität nur noch konsumieren muss, gibt es bei uns nicht.

Soziales Miteinander

Die Kommune Niederkaufungen arbeitet seit beinahe 34 Jahren an einem alternativen Modell des Wirtschaftens und Lebens. In dieser Zeit sind vielen Menschen in die Kommune ein- und wieder ausgestiegen. Wir haben eine gemeinsame Wertebasis und trotzdem sind wir unterschiedlich. Eine Bereitschaft zur Auseinandersetzung und Kooperation mit vielen Menschen ist daher eine Bedingung des Zusammenlebens. Gleichzeitig ist dieser stetige Prozess anstrengend. Nicht wenige sind damit auch überfordert.

Lebens- und Arbeitsprojekt

Die meisten Kommunardinnen und Kommunarden leben nicht nur hier gemeinsam auf dem Gelände, sondern arbeiten auch in einem unserer Kollektive. Neben der Erwerbsarbeit in den Betrieben, als Angestellte außerhalb oder als Selbstständige fallen viele weitere Arbeiten an: Dazu gehören: Abwaschen, Putzen, Kinderbetreuung, Öffentlichkeitsarbeit, Plenum, Kleingruppenbeteiligung, Alltagsorganisation, Instandhaltung und Pflege der Gebäude und Grundstücke, politische Arbeit … . Hier ist jede und jeder gefragt seine Fähigkeiten einzubringen. Alle Menschen, die hier lebten, haben das Projekt aufgebaut. Alle, die jetzt neu oder nach wie vor hier leben, gestalten es weiter. Auch für diejenigen, die nach uns kommen werden.
Auch wenn wir unsere Arbeitsbedingungen selbst gestalten können, wird hier viel gearbeitet. Verantwortlich in der Gruppe zu arbeiten und dabei auf seine eigenen Grenzen zu achten, ist eine nicht zu unterschätzende Herausforderung.

Andere Gemeinschaften

Es gibt inzwischen viele Gemeinschaften in Deutschland. Das Verzeichnis eurotopia listet für Deutschland 192 politische, spirituelle, religiöse oder ökologische Gemeinschaften unterschiedlichster Couleur auf. Es lohnt sich den Blick zu weiten. Auch Neugründungen steht nichts im Wege. Wir beraten euch dabei gerne!

Black Lives Matter – Demo in Kassel

Am 6. Juni 2020 fand in Kassel eine sehr gut besuchte Kundgebung und Demo gegen Rassismus statt. Die mindestens 3000 Teilnehmerinnen fanden sich zunächst vor dem Hauptbahnhof ein. Mehrere kraftvolle Redebeiträge schilderten authentisch Erfahrungen mit Rassismus in Deutschland und Kassel und brachten das Anliegen der Teilnehmer auf den Punkt. Es reicht! Wir wollen keinen Rassismus mehr durch Polizei, Arbeitgeberinnen, Schule oder Jobcenter dulden. Hierzu gehört auch, dass Weiße Vorrechte und Vorurteile in Frage stellen. Sich auch in Alltagssituationen einzumischen ist Aufgaben von uns allen.

Solidarität hat keine Grenzen

am Samstag, den 02.05.2020 gab es in der Kasseler Innenstadt eine auffällige Anhäufung von Menschen mit Plakaten

leave no one behind

Solidarität kennt keine Grenzen

Grenzen auf überall

Lager evakuieren

Gesundheitsversorgung für alle

Corona, ein Grund das Lieferkettengesetz zu kippen?

Lieferkettengesetz – Fluchtursachen – war da was?

Kommunard*innen aus den Kommunen waren auch zahlreich in der City.

Die Klimakatastrophe bleibt Thema

Initiiert von unserer Kommune gab es zum Weltklimatag am 24. April 2020 auch eine reale Demonstration auf der Straße in Kaufungen. Immerhin 16 der, auf 30 Teilnehmer*innen begrenzten Demonstration, kam aus der Kommune Niederkaufungen. Weitere 5 Teilnehmer*innen kamen aus den Nachbarkommunen oder waren mal Kommunemitglieder.

Mit 6 Gehzeugen wurden einerseits die coronabedingten Abstandsregeln eingehalten, andererseits der absurde Flächenbedarf des Individualverkehrs vor Augen geführt.

Die Aktion führte zu überwiegend positiven Reaktionen und zeigte, dass nicht nur für die aktiven Demonstrant*innen die Klimakatastrophe weiterhin zentrales Thema bleibt.

 

Kollektiv gegen den Pflegenotstand

Die „Tagespflege Lossetal“, ein Pflegekollektiv in der Kommune Niederkaufungen

von Jona

Seit 2006 gibt es die Tagespflege Lossetal als ein Pflegekollektiv der Kommune Niederkaufungen. Dort werden wochentags bis zu 15 dementiell erkrankte Menschen betreut. Die Gäste der Tagespflege sind dadurch tagsüber gut versorgt und können abends wieder in ihre vertraute Umgebung zurückkehren. Ziel ist es, einen Umzug in ein Pflegeheim ganz zu vermeiden oder möglichst lange zu verzögern. Die Entlastung der pflegenden Angehörigen, für die es oft ein 24 Stunden-Betreuungs-Job ist, ist ein ebenfalls erwünschter Effekt.

„Menschen in Gesellschaft bringen!“ ist das Motto der Tagespflege Lossetal. Deshalb liegt sie nicht am Stadtrand, in einem alten Supermarkt oder an einer lauten Straße. Mitten im Ort, mitten in der Kommune, mitten im Leben der Gemeinschaft mit ihren Arbeitsbereichen, Tagungshausgästen und den spielenden Kindern. Gleich neben dem alten Backhaus, der Kirche und der Losse, die sich durch den alten Ortskern mit den schmucken Fachwerkhäusern schlängelt und viele Besuchspunkte in der näheren Umgebung anbietet.

„Zusammen leben – kollektiv arbeiten“ ist das Motto der Kommune Niederkaufungen. Ohne Chef und Chefin in gleichberechtigten und selbstverwalteten Arbeitsstrukturen wurden seit 1986 schon viele kollektive Betriebe aufgebaut. Die Idee war damals Betriebe aufzubauen, die zur Selbstversorgung der Kommunard*innen beitragen und mit denen man gleichzeitig auf den „Markt“ geht, um Geld von außen zu erwirtschaften. Handwerksbetriebe, Gemüseanbau, Kita und Tagungshaus waren die ersten Betriebe in der Gemeinschaft, Bauernhof, Obstmanufaktur und die Tagespflege kamen später dazu. Ziel war es, möglichst viele Grundbedürfnisse nach Ernährung, Bildung, Bauen und Gesundheit selbstverwaltet zu organisieren.

Mit der Tagespflege sollte eine Einrichtung geschaffen werden, in der wir selbst gerne alt werden wollen: zuhause, im gewohnten Umfeld aber mit organisierten Strukturen, die uns auch im Alter mit (viel) Hilfsbedürftigkeit ausreichend unterstützen und uns gerne in Gemeinschaft wohnen lassen. Idealerweise sollte das ein Kollektiv aus Kommunard*innen sein, die in dem generationenübergreifenden Projekt Kommune Niederkaufungen leben und arbeiten. Der erste Schritt ist erfolgreich abgeschlossen: Die Tagespflege wurde eröffnet und arbeitet in selbstverwalteten Strukturen. Wir sind unsere eigenen Chef*innen und bestimmen unsere Arbeitsbedingungen selber: niemand soll 40 Std. (oder mehr?!) pro Woche mit dementiell erkrankten Menschen arbeiten. Wir arbeiten interdisziplinär, alle machen alles (mit Ausnahmen) und jede engagiert sich in einem Verantwortungsbereich.Wir haben einen Versorgungsvertrag mit den Pflegekassen, sind offiziell als Pflegeeinrichtung anerkannt und können mit den Pflegekassen abrechnen. Jährlich kommt der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) unangemeldet zu uns, überprüft unsere Pflegequalität und ist meistens sehr zufrieden.

Im Laufe der Jahre hat sich die Tagespflege eine guten Ruf erarbeitet, weil sie einfach etwas besonderes in der regionalen Pflegelandschaft ist: kollektive Strukturen ermöglichen mehr Mitbestimmung im (eigenen!) Betrieb und schaffen letztendlich ein zufriedeneres Arbeitsklima. Wer eigene Wünsche und Bedürfnisse im Betrieb anmelden und umsetzen kann, ist nicht so schnell ausgepowert und identifiziert sich mehr mit der eigenen Arbeit. Entspanntere Kollektivist*innen mit besserem Betreuungsschlüssel werden auch schnell von den Gästen und den pflegenden Angehörigen anerkannt und wertgeschätzt. Überhaupt ist der Kontakt mit den Gästen und Angehörigen nicht vom Alltagsstress wie in anderen Pflegeeinrichtungen geprägt, sondern basiert auf einem empathischen, wertschätzenden und ganzheitlichen Ansatz, sich und die Welt zu verstehen.

Diese Form des selbstbestimmten Arbeitens mit Kollektivlohn ist idealerweise für eine Gemeinschaft geschaffen, die in gemeinsamer Ökonomie lebt. Über die gemeinsame Kasse, in die alle Mitglieder nach ihren Fähigkeiten einzahlen, werden die (auch ganz unterschiedlichen) Bedürfnisse aller finanziert. Wenn in der Tagespflege der vorhandene Lohn auf viele Menschen gerecht verteilt wird, verdienen die dort tätigen Menschen oftmals weniger als in herkömmlichen Einrichtungen, wo drastisch Personal eingespart und vor allem auch hierarchisch entlohnt wird.

Seit 2011 jedoch schaffen wir es nicht mehr, ausreichend Menschen aus der Kommune für die Arbeit in der Tagespflege zu finden. Deshalb müssen wir uns nach Menschen von außerhalb unserer Gemeinschaft umsehen. Der erste Schritt war, Menschen aus anderen Kommunen aus der Region Kassel anzusprechen. Aber auch das Potential ist nicht ausreichend, um die vorhandene Fluktuation im Kollektiv aufzufangen. Seit 2016 gehen wir neue Wege und motivieren Menschen, die nicht in Gemeinschaft leben, in das Tagespflegekollektiv einzusteigen. Dies bringt neue Aspekte, Vor- und Nachteile mit sich: die Idee des Kollektiven Arbeitens wird in neue Bereiche außerhalb der bekannten Strukturen getragen. Es kommt jedoch auch das Problem auf: wie können Menschen außerhalb gemeinsamer Ökonomie von unserem Kollektivlohn leben? Fragen auf die wir (noch) keine abschließende Antwort gefunden haben, aber auf einem guten Weg sind. Wenn Du Lust hast, im Tagespflegekollektiv zu arbeiten und/oder die Kommune Niederkaufungen kennenzulernen, dann melde dich gerne.

www.tagespflege-lossetal.de www.kommune-niederkaufungen.de

Infobox:

Die Tagespflege Lossetal wurde 2006 in der Kommune Niederkaufungen gegründet. Die Kommune Niederkaufungen gibt es seit 1986 in der Nähe von Kassel. Hier leben 56 Erwachsene und 16 Kinder. Neben der Tagespflege gibt es auch andere kollektive Arbeitsbereiche wie ein Tagungshaus, eine Kita, Gemüse und Landwirtschaft, eine Obstmanufaktur, die Küche mit Partyservice und Handwerksbetriebe die ebenfalls interessierte Menschen suchen. Infos über www.kommune-niederkaufungen.de Das nächste Kommuneseminar ist vom 14.-16.12.2018